Wintersport
Lawinenkunde-Basics: Worauf Wintersportler achten müssen

Wo beim Skitourengehen oder Splitboarden Lawinengefahr herrscht, müssen Augen und Ohren offen und der Geist wachsam sein. Mit diesen 11 Sicherheitstipps schärfst du deinen Blick für die kleinen, aber wichtigen Details im Gelände.
Damit stellt sich aber zumindest den wenig Erfahrenen gleich die Frage: Auf welche Details achtet man denn eigentlich konkret dort draußen? Gerade die, die noch nie einen Kurs zum Thema Lawinensicherheit besucht haben, können davon naturgemäß nur eine vage Vorstellung haben. Deshalb müssen wir wieder gleich eingangs jedem raten: Ab in den nächsten Lawinenkurs! Als Einsteiger sowieso, aber auch zur Auffrischung, wenn der letzte Kursbesuch schon länger her und das Wissen etwas eingerostet ist. Denn: Die hier folgenden Tipps sind keinesfalls ein Ersatz für einen Kursbesuch, sondern sollen lediglich dein Bewusstsein für diese sensible Materie Lawinengefahr schärfen.
1. LVS-Check
Bei jedem Weggehen musst du nicht nur darauf achten, ob die Ausrüstung vollständig ist, sondern vor allem einen LVS-Check machen! Das wissen zwar alle – machen trotzdem viele nicht. Das LVS-Gerät ist im Notfall der Faden, an dem dein Leben hängt, investiere also die paar Minuten vor dem Start“.
So machst du den Test
Als Ausgangsbasis haben alle Gruppenmitglieder ihr LVS-Gerät auf „Off“.
Empfangs-Check: Der Kontrolleur stellt sein Gerät auf Senden und danach stellen die Gruppenmitglieder einzeln ihre Geräte auf Empfang. Jeder prüft optisch und akustisch, ob sein Gerät anschlägt. Danach schalten alle auf Senden und verstauen ihr Gerät am Körper, so wie es auf Tour getragen wird – also nicht im Rucksack!
Senden-Check: Der Kontrolleur geht nun ein paar Schritte voraus und schaltet sein Gerät auf Empfang. Nun gehen alle Gruppenmitglieder einzeln mit rund 10 Metern Abstand knapp am Kontrolleur vorbei, der anhand seines Geräts überprüft, ob alle Geräte wirklich senden. Am Ende schaltet auch der Kontrollierende sein LVS-Gerät wieder auf Senden.

2. Lawinengefahrenstufe
Wissen ist Schutz! Bereits einen Tag vor einer Tour und wenn geht, unmittelbar davor wird auf www.lawine.at der aktuelle Lawinen- und Wetterbericht abgerufen. Die dargestellte Gefahrenstufe für die ausgewählte Örtlichkeit zeigt auch das Risiko an.
In Kurzform:
Gefahrenstufe 1 bedeutet geringe Lawinengefahr (Auslösung nur bei großer Belastung im extremen Steilgelände).
Bei Gefahrenstufe 2 ist die Lawinengefahr mäßig (Schneedecke ist an sich gut gefestigt, an einzelnen steilen Hängen sind Abgänge möglich).
Ab Gefahrenstufe 3 (Auslösung in steilen Hängen bereits bei geringer Belastung der Schneedecke möglich) sollte von einer steilen Route bereits unbedingt Abstand genommen werden.
Bei Gefahrenstufe 4 (Schneedecke ist an den meisten steilen Hängen nur schwach verfestigt) und
Gefahrenstufe 5 (auch im mäßig steilen Gelände sind Lawinen zu erwarten) herrscht sowieso absolutes Gehverbot.
3. Handy und Lawinenairbag
Die alpine Notrufnummer 140 ist im Handy eingespeichert? Der Akku ist vor der Tour voll aufgeladen? Powerbank als Back-Up eingepackt? Dann passt es. Aber Vorsicht: Handy und LVS-Gerät nicht gemeinsam in der selben Jackentasche tragen – das Signal des LVS-Gerätes kann dadurch gestört werden und sich unter Umständen unbemerkt ausschalten. Falls vorhanden, wird vor dem Weggehen der Auslösegriff des Lawinenairbags aktiviert.
4. Neuschnee und Schneehöhe
Es ist ein häufig vorkommendes, grobes Missverständnis, dass wenig Schnee ein geringeres Gefahrenpotenzial bedeutet als große Schneemengen. Genau das Gegenteil ist der Fall! Wenig Schnee bedeutet eine höhere Gefahr, besonders, wenn er mit niedrigen Temperaturen einhergeht. Die Crux ist, dass sich dann leicht gefährlicher Schwimmschnee bildet. Bei viel Schnee ist die Schneedecke oft sicherer, weil sich vor allem bei langsamer Erwärmung die Schneeschichten gut miteinander verbinden. Aber unabhängig von der Gesamtschneehöhe ist es eine bekannte Tatsache, dass die meisten Unfälle am ersten schönen Tag nach größeren Schneefällen passieren. Eine Schneedecke braucht im Schnitt auch zwei Tage, bis sie sich setzt. Oder sogar wesentlich länger, wenn Wind dazukommt oder auf einem Nordhang. Bei größeren Neuschneemengen ist die Gefahr deutlich erhöht.
5. Wind
Auf Tour ist der Wind generell ein Detail, das immer im Auge zu behalten ist. Der Wind ist einer der wichtigsten Baumeister der Lawinen. Windverfrachtungen erhöhen die Lawinengefahr erheblich. Daher auf Tour unbedingt immer nach Gefahrenanzeichen Ausschau halten – achtet zum Beispiel auf Windfahnen an Graten, Schneewechten oder eine vom Wind erodierte Schneeoberfläche.
6. Temperaturen
Sehr niedrige Temperaturen weit unter null erhöhen die Lawinengefahr extrem, aber auch ein sehr rascher Temperaturanstieg, zum Beispiel durch eine Föhnwetterlage, ist brandgefährlich. Dagegen ist eine langsame Erwärmung grundsätzlich eher positiv zu deuten, da nimmt das Gefahrenpotenzial eher ab.
7. Hangneigung
Wind, Schneehöhe, Temperatur – alles für sich kein Problem. Problematisch wird die Sache logischerweise erst in Verbindung mit der Steilheit eines Hanges. Die meisten Unfälle passieren ab 30 bis 35 Grad Hangneigung. Wie aber können Unerfahrene die Steilheit eines Hanges einschätzen? Eine Möglichkeit ist ein spezieller Neigungsmesser, der am Skistock montiert wird. Manche Handy-Apps können ebenfalls die Neigung anzeigen. Eine andere Faustregel, an der man sich orientieren kann: Sobald in Spitzkehren gegangen werden muss, sind 30 Grad überschritten.
8. Exposition
Die Ausrichtung eines Hanges sagt ebenfalls einiges über sein Gefahrenpotenzial aus. Südhänge sind grundsätzlich günstiger, sorgen für eine schnellere Setzung des Schnees. Nord-, Nordost- oder Nordwesthänge sind viel störungsanfälliger.
9. Verdächtige Geräusche
Ohren auf! Auch Setzungsgeräusche der Schneedecke (lassen sich am besten mit einem dumpfen „Wumm“ beschreiben) signalisieren höchste Gefahr, vor allem in Verbindung mit einem feinen Riss in der Schneedecke. Da ist die Tour ohne Wenn und Aber sofort abzubrechen.
10. Abstände
Bei Hängen ab 30 Grad ist es enorm wichtig, die Abstandsregeln einzuhalten.
Im Aufstieg: Bei Lawinenwarnstufe 3 sind mindestens 10 Meter Abstand einzuhalten, um die Schneedecke zu entlasten.
Beim Abfahren: Bis 30 Grad Hangneigung werden 30 Meter Abstand eingehalten, ab 30 Grad wird überhaupt einzeln abgefahren. Und ganz wichtig: Abgefahren wird diszipliniert, Sammelpunkte werden ausgemacht und eingehalten, die Gruppenmitglieder halten untereinander Blickkontakt. Kein unnötiges Risiko nehmen, weil Stürze die Schneedecke punktuell mit dem siebenfachen Gewicht einer normalen Abfahrt belasten.

11. Viel „Betrieb“
Einsteiger fühlen sich meist sicher, wenn viele andere Tourengeher am selben Hang unterwegs sind – nach dem Motto: „Alle können sich nicht irren.“ Doch das ist trügerisch: Viele Tourengeher bedeuten eine große Belastung für die Schneedecke, meist werden dann auch die wichtigen Belastungsabstände nicht eingehalten. Auch wichtig: Auf jeden Fall aufpassen, wenn andere einen Hang bei Neuschnee spuren. Es gilt, an sicherer Stelle zu warten, bis man selbst an der Reihe ist.
Sicherheit geht vor!
Lawinensicherheit beginnt lange bevor man den ersten Schritt ins winterliche Gelände setzt – mit Wissen, Vorbereitung und einer gesunden Portion Respekt vor den Naturgewalten. Die hier genannten Punkte zeigen, wie viele Faktoren zusammenspielen und wie wichtig es ist, aufmerksam, diszipliniert und vorausschauend unterwegs zu sein.


