Mit dem MTB am Anninger: Biken vor Millionenpublikum

Irgendetwas ist anders, wenn man den Blick vom Vorderrad des Mountainbikes löst und durch den Föhrenwald am Anninger schweifen lässt. Schwarzkiefern soweit das Auge reicht und das Gefühl, durch die Toskana zu pedalieren. Im Süden der Metropole Wien erhebt sich der knapp 700 Meter hohe Berg, der sich in den letzten Jahren mit einem rund 30 Kilometer langen, legalen Streckennetz zum Refugium der Wiener Bike-Community entwickelt hat.

Aus Fördertopf des Bike-Infrastrukturfonds konnten wir uns an den Kosten für die notwendigen Baggerstunden des örtlichen Vereins Sportunion Hinterbrühl beteiligen. Grund genug, einmal genauer hinzuschauen und die Community zu Wort kommen zu lassen.

Die MTB-Strecken am Anninger

Wir hatten die Möglichkeit, gemeinsam mit Lisa Ribarich, die als Trainerin und Organisatorin des Vereins die Strippen in den Händen hält, über den Charme der Trails und die Herausforderungen vor Ort zu reden.

Im Gespräch wird deutlich, dass der Anninger schon immer ein Magnet für die Outdoor-Community war und die Wege und Pfade von Wanderern, Bikern, Kletterern und Reitern gleichermaßen genutzt werden. „Vor allem ab 2010 nahm die Zahl der Mountainbiker drastisch zu“, erklärt Lisa. Die daraus wachsenden Konflikte gipfelten in einem Projekt zur Legalisierung von Mountainbike-Strecken, die gemeinsam mit dem Wienerwald Tourismus, angrenzenden Gemeinden, Eigentümern und Vereinen entwickelt wurden, um eine entsprechende Lenkung der Nutzergruppen zu erzielen. Damals habe man sich auf Wege geeinigt, die bergauf von allen Nutzergruppen befahren werden können, während bergab ausgeschilderte Trails für die Bike-Community forciert wurden, erzählt Lisa: „Heute gibt es 30 km Bikestrecken mit sechs Trails: von einfach-flowig bis technisch-anspruchsvoll“.

Mountainbike Area Anninger 1

Wer mit dem Zug und dem Bike direkt aus Wien anreist, wird überrascht sein, wie schnell man hier den Alltagswahnsinn vergisst. Die Vegetation lässt bereits auf den ersten Metern einen mediterranen Vibe aufkommen. Hinzu kommt, dass das Streckennetz viele Variationsmöglichkeiten bietet, sodass sich die natürlichen Trails für jeden Geschmack miteinander kombinieren lassen. „Wir haben versucht, ein Wegenetz zu entwickeln, das unterschiedliche Bedürfnisse und Fähigkeiten abdeckt: Naturgenießer, Kinder, Anfänger und sportliche Biker kommen hier alle auf ihre Kosten“, antwortet Lisa auf die Frage, für wen die Trails entwickelt wurden.

Dass der Weg zum ersten legalen Trail steinig war, daran erinnert sich Lisa noch gut. „Die größte Herausforderung war der Nutzungsdruck und die vielen Interessen, die auf engstem Raum im Wald aufeinandertreffen. Auf der einen Seite standen die Forstbehörden, auf der anderen Seite die verschiedenen Freizeitnutzer – und keiner wollte die Mountainbiker“, erinnert sich Lisa an die Anfänge. Wie bei vielen anderen Vereinen bestand die Mammutaufgabe zunächst darin, alle Parteien an einen Tisch zu bringen, um sie davon zu überzeugen, dass die Biker aus der Community keine Bösewichte sind, die rücksichtslos durch den Wald rasen. Persönliche Gespräche, viel ehrenamtlicher Einsatz und der Wille, Lösungen zu finden, haben Schritt für Schritt dazu geführt, dass der Bike-Community immer mehr Vertrauen geschenkt wurde und mittlerweile als wichtiger Partner bei der Lösung von Konflikten angesehen wird.

Zwischen Trailbautagen und Nachwuchsarbeit

Um den Erhalt und Ausbau der Trails kümmert sich der Verein selbst, erzählt Lisa. „In jedem Trail stecken unzählige Arbeitsstunden“, berichtet sie. „Trails freischneiden, von Laub befreien, Anlieger erneuern ... das alles nimmt mehr Zeit in Anspruch als man denkt. Und Trailbautage müssen gut organisiert werden, denn schließlich braucht jeder Werkzeug und wünscht sich ein bisschen Verpflegung vor Ort.“

Lisas Leidenschaft für die Vereinsarbeit wird spätestens dann spürbar, als sie uns erzählt, dass sie selbst in diesem Sportverein aufgewachsen ist. „Ich konnte an Ski- und Mountainbike-Rennen teilnehmen und habe durch den Sport viel fürs Leben gelernt.“ Mittlerweile gibt sie ihre Erfahrungen als Trainerin an Kinder weiter und versucht ihnen einen niederschwelligen Einstieg in den Radsport zu ermöglichen – und das schon seit zehn Jahren. Auf unsere abschließende Frage, was sich Lisa für den Verein wünscht, betont sie noch einmal die Wichtigkeit einer Vereinsstruktur. Nicht nur, um der Notwendigkeit einer legalen Infrastruktur entsprechenden Nachdruck zu verleihen, sondern auch, um die positiven Aspekte des Sports sichtbar zu machen.

„Letztendlich müssen wir unsere eigene Szene dafür begeistern, sich ehrenamtlich zu engagieren. Ein großes Streckennetz ist nur möglich, wenn genügend Biker dahinterstehen – nicht nur als Nutzer, sondern auch als Mitgestalter“, sagt sie abschließend.

Diesem Appell ist wohl nichts mehr hinzuzufügen und wir möchten uns an dieser Stelle nicht nur bei Lisa, sondern auch bei allen anderen helfenden Händen vor Ort bedanken. Wer aus der Region kommt, auf der Durchreise ist oder vielleicht auf den Geschmack gekommen ist, sollte unbedingt einen Abstecher auf den Anninger machen oder einfach beim Verein vorbeischauen. Man wird mit offenen Armen empfangen. In diesem Sinne: RIDE ON!

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